Information in der Frühen Neuzeit.
Status, Bestände und Strategien

Tagung 23. und 24. Februar 2006
Historisches Kolleg
Kaulbachstraße 15, 80539 München

Organisation: Arndt Brendecke, Susanne Friedrich, Markus Friedrich



Exposé

Auf der Tagung werden spezifisch frühneuzeitliche Formen des Umganges mit 'Information' thematisiert, wobei zugleich die Chancen und Grenzen einer historischen Thematisierung von 'Information' abgewogen werden sollen. Unter 'Information' werden dabei die Repräsentationen der Welt verstanden, die in Hinsicht auf eine Aufgabe verfügbar sind. Betont wird dadurch deren tendenziell empirischer Charakter und die Ausgerichtetheit auf ihre praktische Nutzanwendung. 'Verfügbarkeit' und die Potentialität der Anwendung werden zu entscheidenden Kriterien, wodurch die Eigendynamik der Ordnung und Verarbeitung von Informationsbeständen ebenso in den Blick gerät, wie der Einfluss, den die potentielle Verfügbarkeit von 'Information' auf die Entscheidungsbasis hat. Behandelt werden daher zeitgenössische Konzepte von 'Information', die signifikant wachsenden Informationsbestände und damit korrespondierenden Praktiken in der Frühen Neuzeit.

1) Status von Information

Vor der 'Statistik' gab es kaum frühneuzeitliche Theorien über den Nutzen von Information, aber diverse Diskurse, in denen sich ihre Wertschätzung abzeichnet. Der Wunsch nach Information und die Behauptung, informiert zu sein, findet sich im herrschaftlichen, kirchlichen und privaten Bereich. Dies verweist auf den gewandelten Stellenwert von empirischer Information (notitia, historia). Bemerkenswert erscheint, dass es sich dabei häufig um Ansammlungen von Einzeldaten handelte, die keinen Anspruch auf interpretative Rahmung ihrer Inhalte mit sich brachten. Auf praxeologischer Ebene vollzog sich ein Wandel hin zur empirischen Begründung von Entscheidungen und Wissen, der sich in der Wissenschaftstheorie erst Anfang des 17. Jahrhunderts explizierte.

2) Informationsbestände

Beachtet werden müssen auch die typischen Orten und Medien der Akkumulation von 'Information', etwa in der säkularen und kirchlichen Administration, ihren Archiven und den korrespondierenden Phänomenen des Buchmarktes. Die Vielzahl dieser Akkumulationsphänomene im öffentlichen wie privaten Bereich verweist auf eine schon im 16. Jahrhundert einsetzende, spürbare Aufwertung empirischer Information. Entscheidend ist dabei, die Sammlungsorte und medien nicht als statische 'Behältnisse' zu betrachten, sondern Prozesse, Formgebungen und Übertragungen von Information sowie deren spezifische Situation und Funktion mit einzubeziehen.

3) Strategien und Verfahren des Umgangs mit Information

Zu beleuchteten sind auch die Verfahren, welche die Beglaubigung, Erhebung, formale Gestalt, Verzeichnung, Verarbeitung und Verfügbarmachung von Information bestimmten. Der an sie gestellte Anspruch wandelte sich mit der zunehmenden Methodisierung frühneuzeitlicher Informationserhebung und -erfassung. Die neue Verfügbarkeit von 'Informationen' führte zudem dazu, dass ihre Menge zum Teil kaum noch beherrscht werden konnte, was nach Strategien der Strukturierung, Reduktion, sowie des Entwertens verlangte.

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Programm

Donnerstag, 23. Februar 2006

9:00
Veranstalter:
Begrüßung und Einführung
9:30
Justin Stagl, Salzburg
Thesen zur europäischen Selbsterkundung in der Frühen Neuzeit
10:20
Kaffeepause
10:50
Wolfgang E.J. Weber, Augsburg
Informationsbeschaffung und Umgang mit Information in der Politischen Theorie des 17. Jahrhunderts
11:40
Justus Nipperdey, München
'Intelligentz-Ambt' und 'Staatsbrille'. Das Ideal der vollkommenen Information in ökonomischen Traktaten
12:30
Mittagessen
14:00
Jürgen Dendorfer, München
Papst, Kardinäle und Konzilien in der Reformdiskussion. Zur Tradierung, Selektion und Reduktion ekklesiologischer 'Information' an der Kurie des 15. Jahrhunderts
14:50
Markus Friedrich, Frankfurt
Von der Notwendigkeit des Ortstermins. Über Modi der Informationserfassung im Jesuitenorden
15:40
Kaffeepause
16:10
Mark Hengerer, Konstanz
Thesenreferat: Information und Operation in der Finanz- und Zeremonialverwaltung der Habsburger (16./17. Jahrhundert)
16:30
André Holenstein, Bern
Thesenreferat: "Gute Policey" und Praktiken der Information im Staat des Ancien Régime
16:50
Diskussion der Kurzbeiträge
17:20
Kaffeepause
17:40
Peter Becker, Linz
Formulare und Tabellen in der Verwaltungspraxis des 18. Jahrhunderts
19:30
Abendvortrag:
Peter Burke, Cambridge
Information in Early Modern Times. The State of the Art

Freitag, 24. Februar 2006

9:00
Winfried Schulze, München
Der Kampf um eine "gerechte und gewisse matricul". Zur Problematik administrativen Wissens im Reich im 16. Jahrhundert
9:50
Susanne Friedrich, München
"Zu nothdürfftiger information". Herrschaftlich veranlasste Landeserfassungen des 16. und 17. Jahrhunderts im Alten Reich
10:40
Kaffeepause
11:10
Arndt Brendecke, München
Information im Indienrat
12:00
Jacob Soll, Camden, N.J.
The Secret Sphere: Jean-Baptiste Colbert's State Information System and the Crisis of Learned Virtue in France
12:50
Mittagessen
14:00
Marian Füssel, Münster
Von der Visitation zur Feldforschung? Praktiken zeremonialwissenschaftlicher Informationsgewinnung bei Friedrich Friese
14:50
Gerrendina Gerber-Visser, Bern
Die Topographischen Beschreibungen der Oekonomischen Gesellschaft Bern. 'Statistik' für eine private Gesellschaft
15:40
Kaffeepause
16:00
Anton Tantner, Wien
Adressbüros in der Habsburgermonarchie und in deutschen Territorien — Eine Vorgeschichte der Suchmaschine?
16:50
Abschlussdiskussion
Statements Lars Behrisch, Bielefeld
und Cornel Zwierlein, München
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