Das Kolloquium soll die Tragfähigkeit des Konzepts 'Pluralisierung' als Leitkonzept für die Erschließung der Frühen Neuzeit diskutieren. Pluralisierung meint zunächst die Vermehrung der in einem Lebens- und Kulturbereich relevanten Repräsentationen der Wirklichkeit und bedeutet darüber hinaus die Emergenz von 'neuem' bzw. alternativem Wissen und das Entstehen kompetitiver Teilwirklichkeiten. Diese müssen aufeinander abgestimmt oder miteinander vermittelt werden. Dabei entstehen Formen des Dialogs über die Grenzen dieser Teilwelten hinweg, Konflikte werden ausgetragen und Wege der Konfliktbewältigung erprobt. Die von diesen Prozessen betroffenen Phänomene sind bekannt, etwa Konfessionalisierung, Ausdifferenzierung von Wissen, Verarbeitung der Begegnung mit der Neuen Welt, Ausbildung neuer Muster sozialen Verhaltens. Pluralisierung spielt sich erst in einem langen widerspruchsvollen Prozeß ein, der in den Jahrzehnten um 1500 eine neue Dynamik entwickelt.
Pluralisierung steht in Konkurrenz zu Konzepten wie 'Dialogisierung', 'Konfessionalisierung', 'Individualisierung', 'Rationalisierung', 'Sozialdisziplinierung' usw. Um die Diskussion über die konkurrierenden Konzepte mit den Mitgliedern des SFB zu stimulieren, wurden vier auswärtige Wissenschaftler zu Referaten eingeladen, die aus der Sicht der Religionssoziologie (Alois Hahn, Trier), der Literaturwissenschaft (Klaus Hempfer, Berlin), der Rechtsgeschichte (Jan Schröder, Tübingen) und der allgemeinen Geschichte (Olaf Mörke, Kiel) in einem ersten Block 'Konzeptionalisierungen der Frühen Neuzeit' grundsätzliche Überlegungen zum Epochenkonstrukt einbringen sollen. Mitglieder des SFB werden jeweils als Respondenten zu den Vorträgen Stellung nehmen.
In einem zweiten Teil werden in ausgewählten Fallstudien Ergebnisse aus der Projektarbeit präsentiert, und zwar aus den Bereichen 'Religion und Pluralisierung' sowie 'Darstellungen des Wissens'; dieser zweiten Tag beginnt mit einem Vortrag von Brian Cummings (Sussex). Winfried Schröder (Marburg) und Bernhard F. Scholz (Groningen) leiten die Diskussionen und fassen Ergebnisse zusammen.
In einem dritten abschließenden Teil werden die Perspektiven gebündelt und die Leistungen und Grenzen des Epochenkonzepts bewertet – wiederum ausgehend von drei Grundsatzreferaten, die sich an den drei Projektteilen des SFB 'A. Ambivalenzen des gelehrten Diskurses' (Gerhard Regn, München/Jörg Robert, Würzburg), 'B. Ordnungen des Wissens' (Herbert Jaumann, Greifswald) und 'C. Pragmatisierung der Autorität' (Cornel Zwierlein, München) orientieren werden. Andreas Kablitz (Köln) wird diesen letzten Teil 'Pluralisierung: Theorie und Applikation' moderieren und zusammenfassen.
Synthetisierung des Heterogenen
Martin Schierbaum, MünchenHistorisierung, Disziplinierung, Pragmatisierung
Frank Grunert, MünchenAkkumulation und Reduktion
Benjamin Steiner, MünchenTextform als Rückhalt
Roland Schmidt-Riese, MünchenSemantisierung des Disparaten
Michael Waltenberger / Frieder von Ammon, München