Am Beispiel der sozinianischen Gruppierung, die sich an der Nürnberger Akademie zu Altdorf um den Medizin- und Philosophieprofessor Ernst Soner (1572—1612) bildete, untersucht das Teilprojekt B7 die intellektuellen Voraussetzungen und soziokulturellen Rahmenbedingungen, welche die Genese nonkonformer religiöser Pluralisierung im akademischen Milieu bestimmen. In diesem Kontext sind die universitären Disputationspraktiken von größter Bedeutung: An der Akademie geführte theologische Kontroversen zeigen, dass Glaubensfragen in einer Weise erörtert wurden, aus der sich ein religiöser Skeptizismus gegenüber orthodoxen Positionen unter der Studentenschaft verbreiten konnte. Zudem konvergierten theologische und naturphilosophische bzw. naturwissenschaftliche Diskurse in der medizinischen Fakultät, wie an dem Kreis um Ernst Soner zu zeigen ist. Zu fragen ist dabei aus wissenssoziologischer Perspektive, ob und inwieweit die akademischen Disputationen in Altdorf als Ort theologischer Konfliktaustragung zu sehen sind, und inwieweit sie ein Zentrum für die Rezeption des sozinianischen Antitrinitarismus geboten haben könnten. Gibt es Wechselwirkungen zwischen den theologischen und philosophisch-wissenschaftlichen Debatten und den epistemologischen Grundsätzen der einzelnen Disziplinen? Welche Rolle spielt in diesem Kontext das Erfahrungswissen? Diesen und ähnlichen Fragen soll in dem Workshop mit Hanspeter Marti nachgegangen werden.
Hanspeter Marti ist ein ausgewiesener Spezialist für die Gelehrtenkultur der Frühen Neuzeit, sowie der Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte; Veröffentlichungen u.a.: Philosophische Dissertationen deutscher Universitäten 1660—1750. Eine Auswahlbibliographie, unter Mitarbeit von Karin Marti. München u.a. 1982; Klosterkultur und Aufklärung in der Fürstabtei St. Gallen. St. Gallen 2003 (Monasterium Sancti Galli, 2); Hanspeter Marti, Manfred Komorowski (Hrsg.) (2008): Die Universität Königsberg in der Frühen Neuzeit. Köln u.a: Böhlau.