Die Tagung möchte die sich wandelnden Formen frühneuzeitlicher Konstruktion von Zeit in den Blick nehmen. Sie kann dabei an die bestehende Forschung zur Zeit anknüpfen, möchte jedoch zugleich einer weiteren Spezialisierung der je eigenen Forschungsdiskurse etwa zur Kalenderrechnung, Zeittheologie und -philosophie entgegenwirken. Sie möchte zweitens auf den unbefriedigenden Befund von Aporien reagieren. Diese stellen sich ein, sobald man historische Zeitkonzeptionen auf ihre inhaltliche Kohärenz analysiert: Wie lässt sich beispielsweise der Glaube an das nahe Weltende mit dem Entwurf 'ewiger Kalender' vereinbaren, wie sie teilweise in der Vorstellung eines Gelehrten koexistierten? Hier von einer Überlappung 'noch' heilsgeschichtlicher und 'schon' moderner Zeitkonzepte zu sprechen oder gar, die Frühe Neuzeit vor die 'Erfindung' der Zukunft zu verlegen, scheint der funktionalen Komplexität des Phänomens 'Zeit' wenig gerecht zu werden. Ausgegangen wird vielmehr von einem spezifischen Spannungsfeld: So lässt sich einerseits beobachten, dass Zeitsysteme selbst als vorgegebene, unveränderbare Ordnungsfaktoren, denen entscheidende Autorität zukam, betrachtet wurden. Andererseits brachte es die Koexistenz verschiedener Vorstellungen, zu denen nicht zuletzt verschiedene Kalender gehörten, mit sich, dass man die menschliche Gestaltbarkeit von Zeitordnungen zunehmend als Selbstverständlichkeit empfand. In diesem Zusammenhang interessiert nicht nur, wie die jeweiligen 'Aneignungen' von Zeit durch Individuen, Gruppen und Institutionen vollzogen wurde, sondern auch, in welche individuellen und gesellschaftlichen Lebensbereiche die Regulierung von Zeit hineinwirkte. Zeit als Regulativ in der Frühen Neuzeit zu thematisieren, bedeutet in diesem Sinne, ihren pragmatischen Funktionen sowie ihren sinngebenden Bedeutungen nachzugehen. Konkret wird deshalb u. a. zu fragen sein, wie den ge- und erfundenen Formen von 'Zeit' Geltung verschafft wurde und welche, auch konfessionellen Vorstellungen den Bestrebungen, Zeit als Ordnungsfaktor nutzbar zu machen, zugrundelagen. Thematisch lassen sich drei Ebenen unterscheiden: Erstens: Der Bereich wissenschaftlich begründeter Zeitordnungen. Zeit wurde hier, basierend auf Kenntnissen von Natur, Chronologie und Astronomie, in kalendarische Systeme überführt. Zweitens: Eine religiöse Ebene, die Zeitordnungen höhere Dignität verlieh und sie schließlich auch in konfessionelle Gegensätze mit einbezog. Drittens: Eine pragmatische Ebene, auf der zeitliche Ordnung im Rahmen individueller Lebens- und obrigkeitlicher Herrschaftspraxis reguliert wurde und regulierend wirkte. Faktisch sollen die Vorträge zu sechs Blöcken zusammengefasst werden, die nicht jeweils die wissenschaftlichen, religiösen oder pragmatischen Zeitordnungen getrennt behandeln, sondern konkrete 'Anwendungsbereiche' des Zeitphänomens in das Zentrum stellen und die jeweiligen Forschungsdiskurse bewusst miteinander zu konfrontieren versuchen: Fokus bleiben so Mensch, Kultur und Gesellschaft, d.h. die Produzenten und Rezipient der jeweiligen Zeitordnungen.