Evidentia. Reichweiten visueller Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit

17.-20. Februar 2005
München, Ludwig-Maximilians-Universität, Historicum, Schellingstraße 12, Raum 001

Teilprojekt B1 (Geschichte)/Dr. Markus Friedrich
und Teilprojekt B2 (Kunstgeschichte)/Prof. Frank Büttner; Dr. Gabriele Wimböck)
in Zusammenarbeit mit Dr. Karin Leonhard (Eichstätt, Institut für Kunstgeschichte)



Beschreibung

Vor dem Hintergrund aktueller Fragestellungen der Wissenschaftsgeschichte, der modernen Bildforschung und Überlegungen zum Wandel der Sinneshierarchien geht es um die Frage, inwiefern im 16. und 17. Jahrhundert ein veränderter Stellenwert der optisch legitimierten Wissensgewinnung und der optisch garantierten Wahrhaftigkeit von Wissen auszumachen ist. Im Mittelpunkt steht der Begriff der 'evidentia', der die Augenscheinlichkeit oder anschauliche Gewissheit eines Sachverhalts meint. Thematisiert werden soll, wie weit, in welchen Bereichen und auf welchen Grundlagen 'Gesehenes' in der Frühen Neuzeit besondere Geltung und Gültigkeit beanspruchen konnte. Dabei gilt es, den bisher vor allem im Zusammenhang der Rhetorik, ars poetica und Kunsttheorie behandelten, zugleich auch im Bereich der Logik und Philosophie virulenten Begriff der 'evidentia' ins Zentrum zu rücken und um seine schon im etymologischen Wortsinn angelegte optisch-visuelle Dimension zu erweitern.

Mit der thematischen Gliederung der Tagung in drei Felder (Erfahrung, Wissen und Glauben) wird der Tatsache Rechnung getragen, daß sich gerade mit diesen Bereichen die Grundfrage nach dem Wahrheitswert visuell gewonnener und/oder repräsentierter Wahrheit besonders verbindet, daß es sich dabei also gerade für die Frühe Neuzeit um besonders signifikante und sich verändernde Felder handelt: Die Welt des Glaubens veränderte sich nicht nur durch die Glaubensspaltung, sondern durch — die damit verbundenen — spezifischen Formen von Frömmigkeitspraxis und Theologie; der Bereich des Wissens veränderte sich signifikant durch Veränderungen der Wissenschaftstheorie, des Wissensumfangs und durch Neubewertungen von Spekulation; die alltagsrelevante Erfahrung schließlich geriet ebenfalls in einen Umbruch größter Relevanz, der auf geistes- und ideengeschichtlicher Ebene als 'Renaissance', 'Säkularisierung' und 'Entdeckung des Individuums' bezeichnet werden könnte. Insofern wird versucht, der wandelhaften Rolle der Opsis in der Frühen Neuzeit nicht durch Konzentration auf einzelne Medien oder Gegenstandsbereiche nachzuspüren. Stattdessen gilt es, die Frage nach der Wahrheitsfähigkeit von Visualität auf verschiedenen Ebenen differenzierter Bedürfnisse, Ansprüche und Reichweiten von 'Wahrheit' zu untersuchen: Erfahrung, Wissen, Glauben.

Programm

Donnerstag, 17. Februar 2005

13.00
Veranstalter: Begrüßung; Einführung
Die Geschichte des Sehens
     Moderation: Frank Fehrenbach (Florenz/Basel)
13.30
Gottfried Boehm, Basel
"Vor Augen stellen". Zum lebendigen Bild
14.30
Robert Jütte, Stuttgart
"Augenlob" – die (Neu-)Bewertung des Sehsinnes in der Frühen Neuzeit
15.30—16.00
Kaffeepause
16.00
Barbara Duden, Hannover
'De oculi morali'. Ivan Illich zur Blick-Geschichte und zum bedrohten Blick
17.00
Jan-Dirk Müller, München
'Evidentia und Medialität'
18.30
Abendvortrag
Carl Havelange, Liège
Photographie et l'histoire du regard
Gemeinsames Abendessen

Freitag, 18. Februar 2005

Sehen/Erfahren
     Moderation: Martin Mulsow (München)
9.00
Markus Völkel, Rostock
'Sehen' oder 'Sehen des Sehens': das Konzept der Augenzeugenschaft in der Historiographie der Frühen Neuzeit zwischen empirischer und rhetorischer Evidenz
10.00
Harriet Rudolph, Trier
'Wahrhafftige Abcontrafactur'? Visualisierung von Recht und Unrecht in frühneuzeitlichen Einblattdrucken
11.00—11.30
Kaffeepause
11.30
Thomas Schauerte, Heidelberg
Genealogie im Transformationsprozeß der frühneuzeitlichen Reproduktionstechniken
12.30—14.30
Mittagspause
14.30
Gerhard Strasser, Pennsylvania/Wolfenbüttel
Wissensvermittlung durch Bilder in der Frühen Neuzeit: Vorstufen des 'pädagogischen Realismus'
15.30—16.00
Kaffeepause
16.00
Thomas Frangenberg, Leicester
Die Stadt als Evidenz. Florentinische Florenzrezeption in Text und Bild 1500—1800
19.00
Abendvortrag (LMU, Hauptgebäude, Kleine Aula)
Hartmut Böhme, Berlin
Vom Unscheinbaren zum Unsichtbaren. Mikrologische Malerei und mikroskopischer Raum

Samstag, 19. Februar 2005

Sehen/Wissenschaft
     Moderation: Michael Stollberg, Würzburg
9.00
Gudrun Gersmann, Köln
Die gespiegelte Welt: Das Wachsfigurenkabinett und die Entwicklung der optischen Medien
10.00
Frank Büttner, München
Das messende Auge: Zur 'Visierkunst' in der Renaissance
11.00—11.30
Kaffeepause
11.30
Karin Leonhard, Eichstätt
Kritik an der Hand. Das Verhältnis von Wissenschaftler und Zeichner in der frühen Mikroskopie
12.30—14.30
Mittagspause
14.30
Horst Bredekamp, Berlin
Galileos Mond- und Sonnenbilder
15.30
Peter Bexte, Potsdam
Einübung ins indirekte Sehen: Blindheit und Magnetismus
16.30—17.00
Kaffeepause
17.00
Werner Busch, Berlin
Helldunkel als Seherfahrung. Die Bildfläche als Bezugsgröße im 18. Jahrhundert

Sonntag, 20. Februar 2005

Glaube, Aberglaube
     Moderation: Christopher Wild, Chapel Hill/Konstanz
9.00
Gabriele Wimböck, München
"durch die Augen ins Menschliche Gemuet kommen": Sehen und Glauben
10.00
Klaus Krüger, Berlin/New York
Fernanwesenheit. Bildhafte Offenbarung in der Frühen Neuzeit
11.00—11.30
Kaffeepause
11.30
Markus Friedrich, München
Die Welt als Theatrum Dei. Naturbetrachtung und vernünftige Theologie um 1600
bis 13.30
Abschlussdiskussion

Die Tagung wird gefördert von der Fritz Thyssen-Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Tagungsgebühr wird keine erhoben, wir bitten aber um eine kurze Anmeldung bis zum 6. Februar 2005.

Kontakt und Information:
Gabriele Wimböck
Institut für Kunstgeschichte/Department Kunstwissenschaften
Georgenstrasse 7
80799 München
Tel: 0049-89-21806306
Fax: 0049-89-21805316
gabriele.wimboeck@lrz.uni-muenchen.de

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