Vor dem Hintergrund aktueller Fragestellungen der Wissenschaftsgeschichte, der modernen Bildforschung und Überlegungen zum Wandel der Sinneshierarchien geht es um die Frage, inwiefern im 16. und 17. Jahrhundert ein veränderter Stellenwert der optisch legitimierten Wissensgewinnung und der optisch garantierten Wahrhaftigkeit von Wissen auszumachen ist. Im Mittelpunkt steht der Begriff der 'evidentia', der die Augenscheinlichkeit oder anschauliche Gewissheit eines Sachverhalts meint. Thematisiert werden soll, wie weit, in welchen Bereichen und auf welchen Grundlagen 'Gesehenes' in der Frühen Neuzeit besondere Geltung und Gültigkeit beanspruchen konnte. Dabei gilt es, den bisher vor allem im Zusammenhang der Rhetorik, ars poetica und Kunsttheorie behandelten, zugleich auch im Bereich der Logik und Philosophie virulenten Begriff der 'evidentia' ins Zentrum zu rücken und um seine schon im etymologischen Wortsinn angelegte optisch-visuelle Dimension zu erweitern.
Mit der thematischen Gliederung der Tagung in drei Felder (Erfahrung, Wissen und Glauben) wird der Tatsache Rechnung getragen, daß sich gerade mit diesen Bereichen die Grundfrage nach dem Wahrheitswert visuell gewonnener und/oder repräsentierter Wahrheit besonders verbindet, daß es sich dabei also gerade für die Frühe Neuzeit um besonders signifikante und sich verändernde Felder handelt: Die Welt des Glaubens veränderte sich nicht nur durch die Glaubensspaltung, sondern durch — die damit verbundenen — spezifischen Formen von Frömmigkeitspraxis und Theologie; der Bereich des Wissens veränderte sich signifikant durch Veränderungen der Wissenschaftstheorie, des Wissensumfangs und durch Neubewertungen von Spekulation; die alltagsrelevante Erfahrung schließlich geriet ebenfalls in einen Umbruch größter Relevanz, der auf geistes- und ideengeschichtlicher Ebene als 'Renaissance', 'Säkularisierung' und 'Entdeckung des Individuums' bezeichnet werden könnte. Insofern wird versucht, der wandelhaften Rolle der Opsis in der Frühen Neuzeit nicht durch Konzentration auf einzelne Medien oder Gegenstandsbereiche nachzuspüren. Stattdessen gilt es, die Frage nach der Wahrheitsfähigkeit von Visualität auf verschiedenen Ebenen differenzierter Bedürfnisse, Ansprüche und Reichweiten von 'Wahrheit' zu untersuchen: Erfahrung, Wissen, Glauben.
Die Tagung wird gefördert von der Fritz Thyssen-Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Tagungsgebühr wird keine erhoben, wir bitten aber um eine kurze Anmeldung bis zum 6. Februar 2005.
Kontakt und Information:
Gabriele Wimböck
Institut für Kunstgeschichte/Department Kunstwissenschaften
Georgenstrasse 7
80799 München
Tel: 0049-89-21806306
Fax: 0049-89-21805316
gabriele.wimboeck@lrz.uni-muenchen.de