B  1  'Schauplätze' des Wissens in der frühneuzeitlichen Expansion
(Geschichte der Frühen Neuzeit, Wissens- und Verwaltungsgeschichte, Geschichte der europäischen Expansion)

Historisches Seminar, Abt. Frühe Neuzeit

Postadresse: Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
Telefon: 089-2180-5560
Telefax: 089-2180-5663
www.geschichte.uni-muenchen.de/index.html

Projektleiter

Prof. Dr. Arndt Brendecke
arndt.brendecke@lmu.de

Mitarbeiter

Dr. Susanne Friedrich, wiss. Mitarbeiterin
susanne.friedrich@lrz.uni-muenchen.de
089-2180-5569

Tagungen

1.—3. Oktober 2003
Die Autorität der Zeit in der Frühen Neuzeit

23.—24. Februar 2006
Information in der Frühen Neuzeit.
Status, Bestände und Strategien

14./15. Oktober 2010
Transformationen von Wissen in der niederländischen Expansion

Workshop

24. Oktober 2007
Konstitutionsbedingungen 'wissenschaftlicher' Tatsachen in der Frühen Neuzeit

Rückschau

Vorträge der Projektleiter/Mitarbeiter

Projektbeschreibung

Das Teilprojekt untersucht die besonderen Erfassungs-, Darstellungs‑, Beglaubigungs- und Verwaltungspraktiken von Information im Rahmen der frühneuzeitlichen Expansion. Im Mittelpunkt stehen somit die mit der Expansion einhergehenden epistemischen Herausforderungen, die nicht zuletzt daraus resultierten, dass empirisches Wissen erhoben, über große Distanz hinweg beglaubigt und schließlich für Aneignungs- und Entscheidungsprozesse verfügbar gemacht werden musste. Die bisher anhand der spanischen Kolonialherrschaft und des Indienrats erzielten Ergebnisse werden nun mit einer Komplementäruntersuchung zu den Wissenspraktiken der niederländischen Verenigde Ostindische Compagnie (VOC) konfrontiert. Die VOC stellt einen zum spanischen Beispiel konträren Fall kolonialer Expansion dar, handelt es sich dabei doch um eine privatwirtschaftlich finanzierte Handelskompanie und institutionell um eine mit Souveränitätsrechten ausgestattete Aktiengesellschaft, deren Begründungsdiskurs wesentlich das Verhältnis zwischen Investition und Rendite verhandelt, nicht etwa Konzeptionen von 'gerechter Herrschaft', Mission oder Ausweitung des Krongutes. Strukturell war jedoch auch hier 'Information' über die entlegenen Operationsgebiete eine unumgängliche Basis der Entscheidungsfindung und ‑begründung. Es wird Aufgabe sein, nicht lediglich einzelne Wissensprojekte und -verfahren der Kompanie genauer zu beschreiben, sondern die spezifischen Formen des Wissenstransfers zwischen verschiedenen Begründungssystemen ('Ökonomie' vs. 'Wissenschaft') zu ermitteln. Ange­siedelt ist das Teilprojekt deshalb an der Grenze zwischen operativem und gelehrtem Wissen, zwischen ökonomischen und szientistischen Praktiken und Diskursen. Dabei stehen der Erwerb, die Verarbeitung und Verfügbarmachung landeskundlichen Wissens über asiatische Gebiete in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts im Zentrum. Es ergeben sich so drei zentrale Unter­suchungsbereiche, nämlich erstens die kompanieinternen Wissensbestände und Wissensprojekte, zweitens die Schnittstellen zum gelehrten, insbesondere landeskundlichen Diskurs und drittens die begleitenden Begründungsdiskurse und daraus resultierenden methodischen Verschiebungen, deren Untersuchung schließlich die wissenshistorische Einschätzung dieser spezifischen Formation für die empirische Wissenskultur ermöglicht. Von hohem Interesse sind dabei die spezifischen Formungen, Codierungen bzw. Umcodierungen und Funktionsoptionen, die einzelne Wissensprojekte und ‑bestände erfuhren, je nachdem auf welcher Seite des Begründungszusammenhangs von Ökonomie oder Wissenschaft sie gerade verortet wurden. Nicht zuletzt soll das Teilprojekt dazu beitragen, die enorm wichtige Institution der niederländischen VOC aus dem üblichen disziplinären Zugriff der Wirtschaftsgeschichte zu lösen, sie wissenshistorisch zu erschließen und somit in eine komplexere Erklärung des Wandels hin zur empirischen Wissenskultur der europäischen Moderne integrieren zu können.

Inzwischen abgeschlossen ist der Arbeitsbereich, der sich der Darstellung historischer Information in Tabellenwerken sowie deren Einsatz in der frühneuzeitlichen Lehrpraxis widmete. Die Ergebnisse sind in der Dissertation von Benjamin Steiner: Die Ordnung der Geschichte. Historische Tabellenwerke in der Frühen Neuzeit (1500—1800) niedergelegt. Sie ist 2008 beim Böhlau Verlag in der Reihe "Norm und Struktur" erschienen. Die bearbeiteten Tabellenwerke sind hier einsehbar.

Zur Projektbeschreibung der Arbeitsphase 2004—2007

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