A 11 Humanistische Theorie der Musik im Wissenssystem ihrer Zeit: Pluralisierung eines Kunstdiskurses
(Musikwissenschaft, Geschichte der Musiktheorie)

Institut für Musikwissenschaft

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Telefon: (089) 2180-3759
Telefax: (089) 2180-3949

Projektleiter

Dr. Inga Mai Groote
groote@mwi.uzh.ch
jetzt Universität Zürich: www.musik.uzh.ch

Mitarbeiter

Bernhard Kölbl M.A., wiss. Mitarbeiter
mail@bernhardkoelbl.de

Rückschau

Vorträge der Projektleiter/Mitarbeiter

Projektbeschreibung

Das Teilprojekt befasst sich mit Veränderungen im Musikschrifttum des 16. Jahrhunderts, die wesentlich auf humanistische und konfessionelle Impulse zurückgehen. Die Musiklehre unterliegt in dieser Zeit verschiedenen Pluralisierungsphänomenen: Im späten 15. und 16. Jahrhundert fanden fundamentale Veränderungen der Definition von Musik statt, der Musikbegriff weitet sich von der rein abstrakten musica aus und schließt auch die real erklingende Musik ein. Damit wird der angestammte Platz des Faches Musik im Quadrivium in Frage gestellt und es nimmt besonders Impulse aus den — aus humanistischer Perspektive — neuen ‚Schlüsseldisziplinen‘ Poetik und Rhetorik auf. Diese Wandlungen des Musikbegriffs machen Strategien zur Neueinordnung der Musik in das Wissenssystem notwendig. Sie sollen an den Schriften geeigneter Autoren unter disziplinübergreifenden Aspekten untersucht werden, da die Einbindung der Musiktheorie in die zeitgenössischen außermusikalischen Diskurse und damit ein universaler angelegtes Wissensgebäude bislang noch nicht in genügendem Umfang berücksichtigt und sie oft nur als auf ihr eigenes Gebiet beschränkte Kunstlehre behandelt wurde. Für die Darstellung der Geschichte der Musiktheorie soll der kontextualisierende Blick zudem eine bessere Vernetzung der Fachgeschichte mit Entwicklungen anderer Disziplinen ermöglichen.
Zusätzlich zur Pluralisierung der inneren Fachkonzeption trifft die Musiklehre auf ein externes Pluralisierungsphänomen, da sich die konfessionelle Spaltung nachhaltig auf die Ebene der kirchlichen Musikpraxis auswirkt: Die überlieferte Liturgie wird in Frage gestellt und die sich etablierenden alternativen Formen müssen konfessionsspezifische Eindeutigkeit entwickeln. Darauf reagieren sowohl Musikschrifttum als auch Kompositionspraxis. Eine Untersuchung dieser Aspekte bietet sich gerade im Bereich der Diskurse um die Tonartenlehre an, in dem die verschiedenen Themen konvergieren. Diese Fragestellungen nehmen exemplarisch vom Werk Heinrich Glareans ihren Ausgang, da dieses alle relevanten Themenbereiche berührt und einen wirkmächtigen Impuls für die Tonartenlehre gab.
Ein Arbeitsfeld des Projekts widmet sich den transdisziplinären Aspekten. Hier soll zunächst eine gründlichere und synthetisierende Betrachtung der intellektuellen Situierung des Schaffens von Glarean und vergleichbaren Autoren in der Vernetzung mit verschiedenen Gelehrtenmilieus und gerade unter Berücksichtigung der konfessionellen Situation unternommen werden. Ein zweites Arbeitsfeld untersucht die Rezeption von Glareans im Dodekachordon ausgearbeiteter Theorie in Schrifttum und Kompositionspraxis in Europa hinsichtlich ihrer künstlerischen Relevanz und konfessionellen Positionierung, da hier die Erarbeitung einer Koexistenz von konfessionsbedingt zunächst stark konfliktgeladenen Positionen und Elemente der Hybridisierung untersucht werden können.

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