B  3  Paratexte als Formen der Selbstinszenierung und Selbsterschließung eines Buches im Spektrum kommunikativer Bedingungen von Autorität und Pluralisierung
(Germanistik, Frühneuzeitforschung)


ausgelaufenes Teilprojekt
Institut für deutsche Philologie

Postadresse: Schellingstr. 3, 80799 München
Telefon: 089-2180-5274
Telefax: 089-2180-3871
http://www.germanistik.uni-muenchen.de

Projektleiter

Dr. Herfried Vögel, Akad. Oberrat

Mitarbeiter

Dr. Frieder von Ammon

Sebastian Speth, stud. Hilfskraft

Rückschau

Vorträge der Projektleiter/Mitarbeiter

Projektbeschreibung

Das Titelblatt, das Inhaltsverzeichnis, das Widmungsgedicht, das Vorwort, die Marginalie, das Register und andere paratextuelle Elemente des frühneuzeitlichen Buches sind wichtige Instrumente der Verständigung zwischen Autor, Verleger, Drucker und Stecher einerseits und der Gesamtheit oder spezieller Sektoren der Leserschaft andererseits. Das Projekt will in breiterem Spektrum verfolgen, wie spezifische Arrangements paratextueller Formen und Funktionen nicht nur Buchinhalte auf- und erschließen, sondern auch den Leser konstituieren und möglicherweise konditionieren können. Es geht mithin um die Frage, wie Autorität im Buch und über das Buch paratextuell gesichert oder allererst hergestellt werden soll. Es ist anzunehmen, daß solche Formen der Autoritätsstiftung auch auf Prozesse von Pluralisierung reagieren, daß Pluralisierung sich auch über Paratexte vermittelt. Das Projekt will beide Möglichkeiten stets wechselseitig erforschen. Dabei sind Unterscheidungen etwa der Autorität des Autors und des Buches, der Leserlenkung und der Orientierung am Leser, der monologischen und dialogischen Information ebenso historisch zu verfolgen wie deren pragmatische Situierung in paratextuellen Konstellationen. Das Projekt zielt insofern nicht auf eine Formgeschichte der Paratexte ab, sondern auf die Erforschung ihres 'kommunikativen' Potentials in Hinblick auf die Verarbeitung disparaten Wissens. Es konzentriert sich zunächst auf Beispiele aus dem Gebiet der Wissensliteratur, aus dem Gebiet der Moralia und aus dem Gebiet der Gebrauchsliteratur.

Es gehört zu den Zielen des Projekts, genauer zu beschreiben, wie Paratexte Wert-, Autoritäts- und Traditionsvorstellungen erzeugen oder konservieren und inwieweit sich in ihrem Gebrauch Verschiebungen erkennen lassen, die solche Vorstellungen aufbrechen. Es geht also stets um die Beschreibung komplexer Beziehungen zwischen Buchmarkt, Gattungsvorgaben, Lesergewohnheiten, Buchintentionen etc., die durch Paratexte aufeinander abgestimmt werden. Das frühneuzeitliche Buchtitelblatt dient nicht nur (oft als selbstverständlich angenommenen) markt- und werbestrategischen Zielen, sondern eröffnet einen ersten Zugang zum Werk, der etwa in Landschafts- und Architekturmotiven selbst verbildlicht sein kann. In den Titelblättern können Aspekte der Legitimierung angelegt sein, die gewöhnlich in Vorreden diskursiv entfaltet werden. Doch ist hier nicht immer von homologen Verhältnissen auszugehen. Vielmehr kann es zu Variationen und Brechungen, zu Reduktionen und Überschüssen, zu subversiven 'Ausbeutungen' von etablierten Mustern und Konventionen etc. kommen. In der Regel besonders anwendungs- und damit auch leserbezogen sind Register und Marginalien. Sie erleichtern den aktuellen Gebrauch des Buches, dienen aber häufig zugleich der inneren Organisation der Werke, indem sie 'sekundäre Ordnungen' einführen, die Disparität in der Sache auffangen sollen. Beobachtet werden je spezifische paratextuelle Konfigurationen, die Einblick in konkurrierende, mitunter gar widersprüchliche Formen der Stabilisierung (und auf ihrer Rückseite möglicherweise auch der Destabilisierung) von 'Autorität' erlauben und in denen sich Formen der Ermöglichung und Kontrolle von Pluralisierung ausbilden. Dabei werden buch- und literaturwissenschaftliche Arbeitsweisen zu verknüpfen sein unter Anschluß an die historische Leserforschung und Medienwissenschaft, die Wissens- und Wissenschaftsgeschichte.

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